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Skitourengehen: Zwischen Boom und Bewusstsein

Skitourengehen: Zwischen Boom und Bewusstsein
Katja Jast 12. März 2025

Samstagmorgen, 8:05 Uhr. Meine Begleitung und ich fahren auf den Parkplatz in Praxmar im hinteren Sellraintal. Obwohl kein Skilift weit und breit, ist der Parkplatz bereits gut gefüllt. Kein Wunder – Praxmar ist ein beliebter Ausgangspunkt für Skitouren. Von hier geht es beispielsweise auf den Grieskogel (2.710 Meter) oder die Lampsenspitze (2.875 Meter), beides begehrte Ziele für Tourengeher. Frischer Neuschnee von letzter Nacht macht die Bedingungen noch verlockender. Ganze Karawanen ziehen nach oben, allein oder in kleinen Gruppen. So geht es auch für uns heute auf den Grieskogel.

Für mich persönlich liegt die größte Motivation in der schönen Aussicht und der hoffentlich lohnenden Abfahrt. Doch meine Recherche zeigt, dass für viele auch der sportliche Aspekt und die soziale Interaktion eine große Rolle spielen. Was ich dabei noch herausgefunden habe, möchte ich mit euch teilen.

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Ein wachsender Trend

Da es in den Bergen keine Drehkreuze gibt, ist die exakte Anzahl der Skitourengeher schwer zu bestimmen. In Österreich wird sie jedoch auf rund 700.000 Menschen geschätzt. Laut Karl Posch von SKIMO Austria verändert sich die Community – sie wird jünger und weiblicher. Der Altersdurchschnitt liegt aktuell bei 36 Jahren, und der Frauenanteil beträgt 40 %. Die Motivation für Skitouren kommt nicht nur aus der Fitnessbewegung, sondern auch aus dem sozialen Aspekt dieses Sports. (Kposch, 2024)

Besonders während der Corona-Pandemie boomte das Skitoure. In der Saison 2020/21 wurden in Österreich 77.000 Paar Tourenski verkauft. Im Vergleich dazu 240.000 Paar Alpinski. Nach dem Ausnahme-Boom haben sich die Verkaufszahlen mittlerweile auf ein stabiles Niveau eingependelt. In der Saison 2023/24 wurden 47.000 Paar Tourenski, 53.000 Paar Tourenskischuhe und 40.000 Paar Tourenbindungen verkauft. Experte Karl Posch zeigt sich positiv gestimmt und bezeichnet die demografische Zusammensetzung der Skibergsteiger-Community als vorteilhaft und stabil. Laut Einschätzungen aus der Branche bleibt die Begeisterung für den Skitourensport ungebrochen und wird kaum von Marktgeschehnissen beeinflusst. Kurzfristige Rückgänge bei den Verkaufszahlen spiegeln sich demnach nicht in der Anzahl der Tourengeher wider. (Kposch, 2024)

Lenkungsmaßnahmen und Sicherheit am Berg

Das wachsende Interesse an dieser naturnahen Wintersportart hat auch die Politik auf den Plan gerufen. Um Konflikte zwischen Pistenskifahrern, Tourengehern und Liftbetreibern zu entschärfen, werden vermehrt Skitourenparks eingerichtet. Diese sollen den Zugang erleichtern und gleichzeitig Sicherheit und Rücksichtnahme fördern. Besonders für Einsteiger bieten sie eine ideale Möglichkeit, das Skitourengehen in sicherem Gelände auszuprobieren. Informationstafeln entlang der Routen erklären die richtige Ausrüstung, Aufstiegstechniken und Lawinenkunde. Es gibt zahlreiche Skitourenlehrpfade beispielsweise am Tegelberg, in Mittenwald, Ruhpolding oder im Chiemgau (Alpin; 2024).

Doch eine gute Vorbereitung ist essenziell. Skitourengeher sollten sich nicht allein auf diese Bildungsangebote verlassen. Sicherheit sollte immer oberste Priorität haben. Lawinenkurse gelten daher als unverzichtbar. Verschiedene Anbieter vermitteln essenzielles Wissen – VITALPIN hat hierzu beim SAAC, einem Vorreiter auf diesem Gebiet, nachgefragt:

Seit 27 Jahren bietet SAAC über 50 kostenlose Camps pro Jahr für Outdoorsportler*innen zu den Themen Klettern, Biken und Lawinenkunde an. „Seit 2023 vervollkommnen wir unsere Camps mit Hilfe einer INTERREG-Förderung und einer Förderung des Landes Tirol. Neben dem Schutz des Menschen vor der Natur rückt zunehmend auch der Schutz der sensiblen Bergnatur vor dem Menschen in den Mittelpunkt“, betont Vereinsobmann Thilo Bohatsch. Gemeinsam mit der Universität Innsbruck und weiteren Partnern werden bis 2026 neue Inhalte und E-Learning-Angebote entwickelt. Mehr Infos gibt es unter www.saac.at und www.alpine-awareness.eu.

Lucky Rauscher, SAAC Team:

Lucky Rauscher, SAAC Team:

„Seit über 25 Jahren vermittelt SAAC in kostenlosen Lawinen-Camps essenzielles Wissen über Risiken am Berg. Auch kostenlose Skitouren-Camps sind seit Jahren fester Bestandteil des Programms. Da immer mehr Wintersportler*innen das Skitourengehen für sich entdecken, ist es umso wichtiger, sich in Theorie und Praxis wertvolle Tipps und praxisnahe Anleitungen der erfahrenen SAAC Bergführer*innen zu holen, um im Ernstfall optimal vorbereitet zu sein“. 

Foto Credits: (c) Lucky Rauscher privat

Lawinenkurse helfen, Risiken zu minimieren. Auch meine Freundin und ich haben unsere Kenntnisse zu Beginn der Saison noch einmal aufgefrischt. Besonders wichtig sind folgende Punkte:

  • Lawinenlagebericht checken: Vor jeder Tour sollten die Schneesituation und Windverhältnisse der letzten Tage geprüft werden. Lawinenlageberichte liefern essenzielle Informationen über aktuelle Gefahrenstufen und ermöglichen eine sichere Tourenplanung.
  • Routenwahl mit Bedacht treffen: Schwierigkeit, Höhenmeter, Exposition und Wetterverhältnisse müssen realistisch eingeschätzt werden. Am Tag der Tour muss lokal beurteilt werden, ob die geplante Route sicher ist oder ob eine alternative Strecke gewählt werden sollte.
  • Notfallausrüstung mitführen: Ein funktionierendes LVS-Gerät, eine stabile Schaufel und eine Sonde gehören zur Standardausrüstung und sollten stets mitgeführt werden. Vor der Tour muss die Funktionsfähigkeit überprüft werden, damit im Ernstfall keine wertvolle Zeit verloren geht.
  • Gruppengröße beachten: Gemeinsam ist es sicherer und macht mehr Spaß. Zudem sollte je nach Gruppengröße auf ausreichende Abstände geachtet werden, um die Schneedecke nicht unnötig zu belasten. Besonders in steilen Hängen kann eine zu dichte Spursetzung die Stabilität des Schnees beeinträchtigen und das Lawinenrisiko erhöhen. Dies reduziert die lokale Belastung und erhöht die Sicherheit. Darüber hinaus sollte sich die Gruppe stets über die aktuelle Position und eventuelle Notfallmaßnahmen abstimmen, um im Ernstfall schnell reagieren zu können.
  • Realistisch bleiben: Eigene Kondition und Technik sollten nicht überschätzt werden. Eine ehrliche Selbsteinschätzung ist essenziell, um sich und andere nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Auch die Länge der Tour sollte an die Tageslichtverhältnisse angepasst werden, um rechtzeitig wieder im Tal zu sein.

Achtsam unterwegs – Verantwortung für die Natur

Nach unserer Jause begann die Abfahrt. Auf halbem Weg fuhren wir durch einen Wald und ich fragte mich: Stören wir hier Wildtiere? Beschädigen wir möglicherweise Bäume? Skitourengehen betrifft nicht nur unsere eigene Sicherheit, sondern auch die Natur. Winterwälder sind empfindliche Ökosysteme und Rückzugsorte für Wildtiere. Jede Störung kostet sie wertvolle Energie, die sie zum Überleben benötigen. Mit achtsamem Verhalten tragen wir dazu bei, diese sensible Umwelt zu schützen und für zukünftige Generationen zu bewahren.

Wer verantwortungsvoll unterwegs sein möchte, sollte einige wichtige Regeln beachten: Immer auf markierten Wegen bleiben, um Tiere nicht unnötig zu stören und die Vegetation zu schonen. Zudem sollte lautes Rufen oder Musik vermieden werden, da plötzlicher Lärm die Wildtiere aufschrecken kann. (Naturverträgliches Skitourengehen: Österreich Werbung, Bundesforste und Alpenverein Rufen zu Fair Play Auf, o. D.) Mehr zu den Fair-Play-Regeln gibt es im Factsheet.

Fazit: Naturerlebnis und Verantwortung

Skitourengehen hat sich von einer Nischenaktivität zu einem Breitensport entwickelt. Die Zahlen zeigen, dass der Trend anhält. Gleichzeitig erfordert dieser Sport ein hohes Maß an Eigenverantwortung – für die eigene Sicherheit, für die Umwelt und für ein rücksichtsvolles Miteinander in den Bergen. Wer sich bewusst vorbereitet, die Natur respektiert und Risiken minimiert, kann den Sport in vollen Zügen genießen. Denn kaum etwas ist schöner, als auf einem Gipfel zu stehen, die Stille zu genießen und sich auf eine traumhafte Abfahrt zu freue

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Quellenverzeichnis:

Kposch. (2024, 19. Dezember). SKIMO Austria Pressekonferenz in Salzburg vom 19.12.2024 - Skibergsteigen. Skibergsteigen. https://www.skimo.at/skibergsteigen/192197/skimo-austria-pressekonferenz-in-salzburg-vom-19-12-2024/

Germany, O. G. N. (2024, 28. Dezember). Skitouren ohne Lawinengefahr: 16 Skitourenparks in DE/AT/IT. ALPIN.de. https://www.alpin.de/touren/54587/artikel_lehrpfade-und-skitourenparks-fuer-skitoureneinsteiger-in-deutschland-oesterreich-und-suedtirol.html#subline_4289650

Naturverträgliches Skitourengehen: Österreich Werbung, Bundesforste und Alpenverein rufen zu Fair Play auf. (o. D.). Österreich Werbung. https://www.austriatourism.com/newsroom/naturvertraegliches-skitourengehen-oesterreich-werbung-bundesforste-und-alpenverein-rufen-zu-fair-play-auf/

 

Über die Autorin

Über die Autorin

Katja Jast hat ihre Leidenschaft für die Alpen zu ihrem Beruf gemacht und ist seit 2024 Teil von VITALPIN. In ihrer Rolle unterstützt sie die Umsetzung von Projekten, die nachhaltigen Tourismus im Alpenraum fördern. Auf dem VITALPIN-Blog schreibt sie über aktuelle Themen und Trends, die die Branche bewegen, und lädt zum Dialog über die Zukunft des alpinen Tourismus ein.

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